Von Pfr. Hartmut Hühnerbein, Sprecher des Vorstands,
Christliches Jugenddorfwerk Deutschland (e.V.)

Pfr. Hartmut Hühnerbein.
Foto: Tohma

Am 25. April wurde das CJD 65 Jahre alt. Die Tageslosung zu diesem Tag lautete: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte (Jeremia 31,3). „Weißt du noch…?“ Mit diesem Satz werden viele Gespräche am Rande unserer Konferenzen und Tagungen eingeleitet. Viele haben die Gespräche des CJD mitgeprägt und viele sind von ihr geprägt worden. „Weißt du noch…?“ und dann kommen die Bilder, Geschichten, Berichte und Anekdoten aus der gemeinsamen Vergangenheit oder über das, was überliefert wurde.

Seine Geschichte mit Gott

In diesen Tagen ist mir etwas anderes passiert: Ein Mitglied der Senioren­ver­einigung kommt auf mich zu und sagt: „Ich will dir meine Geschichte mit Gott erzählen.“ Was dann folgte, waren Berichte, Erlebnisse und Erfahrungen, die man gut unter das Thema: „Weißt du noch…?“ hätte stellen können. Aber ich habe seine Berichte und Erfahrungen ganz neu und anders gehört. Es war seine persönliche Geschichte mit Gott. Der Krieg war für ihn nicht mehr ein „normal davongekommen“, sondern seine Geschichte mit Gott. Die Krankheit, die er durchlitten hatte, war nicht „Glück gehabt“, sondern seine Geschichte mit Gott. Den Unfall, den er mit heiler Haut überlebt hat, war nicht „Schwein gehabt“, sondern seine Geschichte mit Gott. Die 65-jährige Geschichte des CJD ist auch eine Geschichte Gottes mit den Mitarbeitenden und den jungen Menschen, die uns anvertraut wurden.

Am 25. April 1947 fand sich das erste Präsidium unseres Werkes zusammen:

  • Arnold Dannenmann (Gründungspräsident und Vorsitzender)
  • Gustav Adolf Gedat (stellvertretender Vorsitzender)
  • Eva Diekmann (Schriftführerin)
  • Viktor von Harpe (Schatzmeister)
  • Luise Horch (Beisitzerin)

Alle brachten ihre eigene Geschichte mit und das, was sie an diesem Tag beschlossen und als Vereinssatzung beim Amtsgericht Stuttgart eingereicht haben, sollte eine neue Geschichte auslösen: Die Geschichte des CJD. Acht Reichsmark waren zu bezahlen und 24 Pfennig Steuern, damit das, was nun neu begann, amtlich beurkundet wurde. An diesem Tag gab es ein hervorra­gendes Losungswort, nämlich aus dem 31. Kapitel des Propheten Jeremia:

Der Herr ist mir erschienen von Ferne: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.

Was hatte der Prophet im Blick? Zunächst spricht er von einem schreckli­chen Ungewitter, das auf den Kopf der Gottlosen niederkommt. Er spricht von dem grimmigen Zorn des Herrn, der nicht ablassen wird und schließlich nimmt er die Menschen in den Blick, die dem Schwerte entronnen sind. Die Gnade gefunden haben. Beim Lesen kamen mir Gedanken und Erinne­rungen an das, was ich über das Dritte Reich gelesen und gehört habe. Über das, was jene berichten, die dem Schwerte entronnen sind. Mit diesem Losungswort vom 25. April 1947 kommt eine Verheißung zur Sprache: Die Ankündigung des neuen Bundes Gottes mit den Menschen – die Chance zum Neuanfang.

Schüler der gymnasialen Jahrgangsstufe fünf der CJD Jugenddorf-Christophorusschule Oberurff. (*)

Welche Bilder hat der Prophet nun von dem, was kommen mag, vor Augen? „Wohlan ich will dich wiederum bauen … du sollst dich wieder schmücken, Pauken schlagen und heraus gehen zum Tanz. Du sollst wiederum Weinberge pflanzen … und ihre Früchte genießen … der Herr hat seinem Volk geholfen.“ Ich denke an unsere CJD Weinberge. Mir kommen Erinnerungen, wie ich als 10-jähriger Junge am Straßenrand stand und ich Hildesheim Sportfesttage des CJD erlebte. Wie man mit Pauken und Trompeten durch die Straßen zog, die ersten Musischen Festtage gestaltete und junge Menschen ein Fest feierten. Damals war ich Zaungast. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich 17 Jahre später selbst mit dabei bin.

Der Rückblick löst in mir Assoziationen aus, an das, was in der Geschichte des CJD gebaut und gestaltet wurde. In den westlichen wie in den östlichen Bundesländern. Frauen und Männer der ersten Stunde haben über die Jahrzehnte hinweg bis zum heutigen Tag junge Menschen begleitet. Sie haben mit ihnen gemeinsam die Jugenddörfer, die Wohnräume ausgebaut und geschmückt, damit die Menschen, die uns anvertraut wurden, nicht verloren gehen, sondern ein neues Zuhause finden konnten.

Schüler der Realschule der CJD Jugenddorf-Christophorusschule Oberurff. (*)

Zunächst waren es die Jugendlichen, die nach dem zweiten Weltkrieg auf der Straße lebten. In der 65 – jährigen Geschichte waren über zwei Millionen Kinder, Jugendliche und junge Menschen Maßnahmeteilnehmer in den Bildungsangeboten des CJD. Die Gründer haben in der Präambel des CJD festgeschrieben, dass Bildung und Ausbildung unser Thema ist, damit Menschen eine Perspektive für ein gelingendes Leben finden. Aber jedes Jugenddorf soll auch eine moderne Begegnungsstätte mit Jesus Christus sein. Das Wort „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte“, hat aber noch einen anderen Aspekt: Es ist nicht der Menschen. Und es ist Gott, der mit jedem einzelnen Menschen seine persönliche Geschichte hat.

Zeugendienst ist wichtiger denn je

Viele Mitarbeitende, die unser Werk geprägt haben, gibt es nicht mehr. Ihr Wirken wird in „Weißt du noch…?“ in unserer Erinnerung lebendig. Aber das, was wir wissen ist, dass die Geschichte Gottes weitergeht mit der Generation, die heute für das CJD Verantwortung trägt und mit den Zukünftigen, die kommen werden. Solange auf unserer Arbeit der Segen Gottes ruht, wird auch die Geschichte des CJD weiter fortgeschrieben werden.

Gute Verheißungen, gute Nachrichten von Gott gilt es zu verbreiten. Wer sein Leben begreift als ein Leben mit Gott, wer davon überzeugt ist, dass Gott der Herr seines Lebens ist, der muss selbst zum Zeuge werden. Dieser Zeugendienst ist wichtiger denn je. Denn bis zum heutigen Tag kommen die Menschen zu uns, die dem Scherte entronnen sind. Flüchtlinge, Asylsuchen­de, unbegleitete Minderjährige, in unserer Gesellschaft gestrauchelte, an den Rand gedrückte Menschen, Menschen mit Handicap, ohne Perspektiven und jene, die keine Chance für sich und ihr Leben sehen. Sie alle finden bei uns ihren Platz.

Schülerinnen der Realschule der CJD Jugenddorf-Christophorusschule Oberurff. (*)

Aber die Kriegsschauplätze haben sich verändert. Es ist der Krieg in den Familien, der Kinder und Jugendliche straucheln lässt. Es ist die Orientierungslosigkeit und die Auflösung von Verbindlichkeiten, die es Menschen schwer macht, einen Weg zu einem gelingenden Leben zu finden. Menschen stürzen und liegen am Boden, weil sie keinen Halt haben.

Bei Gott können sich alle aufrichten und Halt finden. Christus ist gekommen als die ausgestreckte Hand Gottes. Er will, dass keiner verloren geht. Dass alle die Chance zum Leben haben im Hier und Heute, aber auch darüber hinaus bis in die Ewigkeit. Diese Chance zu begreifen ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Sie den uns anvertrauten Menschen weiterzusagen, eine Verpflichtung. Einerseits auf der Grundlage der biblischen Botschaft und andererseits, um die Tradition unserer Gründungsväter und – Mütter fortzuführen. Wir dürfen auch die schwierig gewordenen Wege in dem Bewusstsein gehen, dass uns Gott je und je geliebt hat. Er geht mit seiner Liebe unserer Geschichte immer einen Schritt voraus.

Musische Kompetenzen entwickeln – Schüler der CJD Jugenddorf-Christophorusschule Oberurff. (*)

Wer vermag wohl heute zu sagen, wie die Geschichte Gottes mit dem CJD weitergehen wird. Es ist alles offen. Wir haben nichts, auf das wir setzen könnten oder was uns absichert. Wir haben nur Gott, auf den wir setzen können und den Glauben, dass er mit uns geht. Wir haben aber auch Gaben und Talente, Chancen und Möglichkeiten in unser Leben hineingelegt bekommen, die es gilt einzusetzen, zum Dienst an den uns Anvertrauten. Mehr haben wir nicht.

Keiner darf verloren gehen

Aber das ist schon eine ganze Menge. Seine Zusage, seine Verheißung für eine gute Zeit, die kann uns tragen. Wenn sich Gott in Liebe zu uns wendet, dann ist uns auch jederzeit die Chance eröffnet, wie wir es vor einigen Jahren in einem Pädagogischen Leitgedanken gesagt haben: Wir können die Nähe Gottes suchen durch das Gebet.

Wir geben ein Zuhause. (*)

Im Bewusstsein unserer Herkunft und im Wissen um die Zusagen Gottes für unsere Zukunft dürfen wir die CJD Geschichte weiterschreiben. Mit dem Leitgedanken „Keiner darf verloren gehen“ bleiben wir Chancengeber, wenn wir die Grundsätze des CJD ins Leben umsetzen.

Grundsätze des CJD

  • Wir lieben Menschen.
  • Wir suchen die Herausforderung.
  • Wir handeln redlich.
  • Wir sind nie verloren.
  • Wir sind gehalten und geben Halt.
  • Wir beschenken uns gegenseitig.
  • Wir fangen immer wieder neu an.
  • Wir geben ein Zuhause.
  • Wir vertrauen auf Gott.

Wir können anlässlich des CJD-Geburtstages fröhlichen Herzens beten:

Lieber Vater im Himmel, wir danken dir für Geschichte des CJD.

Du schenkst uns viele Möglichkeiten.

Wir bitten dich an diesem Tag für unsere Jugend, für die, die bei uns war, für die, die bei uns ist und für die, die kommen wird.

Lenke du unsere Wege. Lenke du auch unsere Geschichte. Du bist der Herr unseres Lebens. Zeige uns unseren Weg und gib uns täglich die Kraft, diesen Weg zu gehen.

Lass uns nicht auf unsere Kräfte setzen, sondern auf deine Kraft. Lass nicht unseren Willen zu Sieg kommen, sondern deinen Willen.

Amen.

(*) Bild/Gestaltung/Zwischenüberschriften: Andreas Bubrowski