Serie: Cyber cyber – Medienwelten Jugendlicher

Schwarmintelligenz
Schwarmintelligenz

WhatsApp-Nutzer und Co. wie immer: „Es zwingt Dich keiner. Natürlich ist das alles freiwillig.“ Ob scheinheilig oder schlichtweg unreflektiert, diese stupide Äußerung ist gefährlich falsch.
Mich guckt niemand böse an, weil ich kein WhatsApp, Facebook, o.ä. nutze. Vielmehr kommt mir stattdessen Ungläubigkeit entgegen, da ein „solches Leben“ unvorstellbar kompliziert und eingeschränkt erscheint, hat man sich erst einmal an die Alltagshelfer gewöhnt. Und genau das ist der Zwang, der ein Nein-Sagen letztlich zu keiner freien Entscheidung macht.

Integration durch Anpassung

Schuld war bislang menschliche Bequemlichkeit. Wir bewegten uns also im Bereich des Luxus und ein Verzicht war verkraftbar, wenn auch mit Nachteilen verbunden.
Nun kommt allmählich Abhängigkeit hinzu. Gerade Kommunikations-Trends werden schnell zur Voraussetzung deklariert – „weil‘s so einfach ist.“ Der Luxus entwickelt sich also kurzerhand zum Alltag. Stemmt man sich dagegen, hat man – vernachlässigt, ausgeschlossen und benachteiligt – schließlich kaum eine andere Wahl, als doch nachzugeben.
Was ist also aus der Äußerung geworden „es zwingt Dich keiner“? Genau das Gegenteil bewahrheitet sich: Die Gesellschaft setzt den Einzelnen massiv unter Druck – der mächtigste Gruppenzwang ever.
Dieser allgemeine Verlauf trifft wohl auf einige weitreichende Innovationen zu. Gefährlich ist das Resultat: Integration ist selbst in den eigenen Reihen oft nur noch mit bloßer Anpassung zu erreichen.

Die schulische Verantwortung

Natürlich kann man es nie allen recht machen. Da liegt es nahe, getreu demokratischem Mehrheitsprinzip zu entscheiden. So auch im Schulunterricht: Nutzt der Großteil etwa den Kurznachrichtendienst WhatsApp, so wird eben dieser als Kommunikationsmedium zwischen Schülern und Lehrer gewählt.
Statt weitaus unbedenklichere Dienste zu nutzen, wird also aus Bequemlichkeit ein massiv kritisierter Anbieter genutzt. Egal, ob man die Bedenken nun teilt oder nicht, die Verantwortung von Schule und entsprechenden Lehrern zur Vermittlung kritischer Hinterfragung geht völlig im Technikhype unter. Das ist es also, was Kinder lernen sollen?
Noch gravierender ist der dadurch demokratisch beschlossene Ausschluss weniger Schüler aus der Klassengemeinschaft. Andersdenkende werden gewissermaßen in ihrer Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit eingeschränkt, indem sie an einigen Diskussionen nicht teilnehmen können und ihnen der Zugang zu relevanten Informationen erschwert ist. Was sollen Kinder daraus lernen?

Rehabilitation

Wenn auch unbeabsichtigt, so sind die genannten Probleme dennoch gerade in sensiblen Bereichen wie der Bildung nie etwa mit Bequemlichkeit zu entschuldigen.
Innovationen bringen ungeahnte Vorteile und moderne Kommunikation bleibt unabdingbar. Gewisse technische Möglichkeiten darf man also durchaus bereits voraussetzen, die Kritiklosigkeit zu ihrer Nutzung aber nicht.
Ähnlich schwer wie das Wiedererlernen des eigenständigen Laufens nach langer Nutzung einer Gehhilfe, so mühsam ist auch ein Umstieg von fraglichen Luxus-Diensten auf weniger bedenkliche Alternativen – besonders, wenn immer noch viele den vertrauten Krückstock hinhalten. Anders wird man es aber nie lernen. JONAS KNUPP