Niklas knallt die Jahn!“ Kaum wird die Mutmaßung das erste Mal in das Ohr eines Schülers der 11. Klasse geflüstert, schon ist die Lawine nicht mehr aufzuhalten. Am Anfang verliebt sich der 11-Klässler Niklas Matuschka (Sergej Moya) in seine Lehrerin Andrea Jahn (Ursula Karven).

Eine unangenehme Situation für Lehrerin Andrea: Schüler Niklas ist verliebt in sie und gibt diese Tatsache öffentlich kund. Foto: © ARD

Am Ende hat die ihren Job verloren und ihr Ehemann (Axel Milberg) seine in Aussicht gestellte Forschungsstelle für Zahnimplantate. Ob oder ob nicht Lehrerin und Schüler zusammenkommen, lässt der Fernsehfilm STILLE POST aber dezent offen. Ein Tabu im ERSTEN zur besten Sendezeit.

Eine für den Schulalltag durchaus nützliche Botschaft

Wer heute Lust auf einen TV-Abend hat, aber der GRAND-PRIX-Ödnis entfliehen möchte, kommt mit STILLE POST auf seine Kosten. Der Plot ist vielversprechend. Zumal in Zeiten, da die Medien von Schauergeschichten über sexuelle Übergriffe gegenüber Jugendlichen voll sind. Dass sich zwei Menschen tatsächlich angezogen fühlen, sich gar ineinander verlieben, trotz Altersunterschieds und gesetzlicher Schranken, findet in der meist spektakulären Berichterstattung kaum Widerhall. Auch nur hier und da fragen seriöse Printmedien nach und bemühen sich um eine öffentliche Diskussion darüber, wie weit Nähe zwischen Schülern und Lehrern grundsätzlich gehen darf und ob Nähe – nur weil sie in Einzelfällen missbraucht wird – im pädagogischen Prozess besser ganz ausgeschlossen werden sollte.

So genial der Plot konzipiert ist, so enttäuschend ist es, dass jeder zum Nachdenken anregende Impuls in einer gesättigten Lösung Klischees erstickt wird. Die 11. Klasse ist ein verlogener, hinterhältiger, kiffender Sauhaufen. Der verliebte Schüler ist doof genug, seine Angebetete mit kompromiterenden Fotoretuschen zu bedrohen. Und wie es der Zufall will, kriselt es gerade in der Ehe der Lehrerin, was sie anfällig für zärtliche Avancen macht. So viel konstruierte Zutaten gehen zu Lasten der Glaubwürdigkeit eines solchen Ereignisses.

Schiebt man jedoch die Klischees beiseite, wird eine für den Schulalltag durchaus nützliche Botschaft erkenntlich. An mehreren Stellen im Film kommen sich die Protagonisten nahe – zu nahe. Bei aller Nähe, die der Schulbetrieb mit sich bringt – das strikte Einhalten eines angemessenen Abstands ist unverzichtbar. Auch als Selbstschutz, etwa vor Fotomani­pulationen. Der Film erinnert außerdem an die nüchterne Gesetzeslage: Sexueller Kontakt mit Schutzbefohlenen ist AUCH DANN eine Straftat, wenn die Verbindung einvernehmlich erfolgt und der Schüler volljährig ist.

Nachdem Lehrerin Jahn gefeuert wurde, Niklas also nicht mehr ihr Schutzbefohlener ist, können sie sich das erste Mal treffen – denn natürlich war zuvor nichts zwischen ihnen. Ob es in dieser Nacht dabei geblieben ist, bleibt offen. „Hast du mit ihm geschlafen,“ fragt Ehemann Michael Jahn seine Frau, als er sie mit dem Auto abholt. Andrea schweigt, lehnt sich lächelnd an seine Schulter. Sie wirkt, als ob sie eine Prüfung bestanden hat. (abu.)

STILLE POST, Fernsehfilm Deutschland 2008 – Regie: Matthias Tiefen­bacher, Buch: Thomas Oliver Walendy, Kamera: Holly Fink. 90 Minuten. Erstsendung: 26. Mai 2010 (ARD). Wiederholung: Einsfestival u. a. 29. Mai 2010, 20.15 Uhr.

Linksunten: Fernsehfilm STILLE POST