Mit Video zu „Sag mir, wo die Blumen sind.“

Bomb "Tall Boy" © Andreas Bubrowski/CJD_UPDATE 20095-Tonnen-Fliegerbombe „Tall
Boy1,“ Museum Helgoland.
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Heute war es auch heiß, heiß wie vor 70 Jahren, als Deutschland dem Wahn eines hysterischen Schreihalses willig in den Untergang folgte. Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 wurde von „uns“ Deutschen der Zweite Weltkrieg vom Zaune gebrochen. Ist uns der Jahrestag wichtig? Werden Jugendliche von heute davon bewegt? Die Schüler der neuen Weblog AG (Klassenstufen sechs bis zehn) haben jedenfalls nicht lange nachdenken müssen, als sie nach ZEITZEUGEN des Zweiten Weltkrieges in ihrem Umfeld gefragt wurden. Es gibt allerdings kaum noch welche. Zeit sich ihrer zu besinnen, so lange noch Zeit ist.

Der Opa mag nicht darüber sprechen

Die spontane Reaktion der Schüler:

Mein Opa war dabei, er mag aber nicht darüber sprechen … Der Opa meiner Freundin ist vor kurzem gestorben, der hat im Krieg ein Auge verloren … Mein Opa ist 80. Er war im Krieg, mag es aber überhaupt nicht, wenn man ihn danach fragt.

Nicht nur dass sich immer weniger Zeitzeugen finden, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes aussterben. Findet man noch welche, wollen sie entweder nicht reden oder fragen resigniert: Wen interessiert das schon?

Erich-Nummel Krüss © Andreas Bubrowski/CJD-UPDATE 2009Erich-Nummel Krüss (*)

Wie etwa Erich-Nummel Krüss, Jahrgang 1932. Er saß 13-jährig im Bunker, als 1.000 Flugzeuge binnen 105 Minuten in drei Wellen die von den Deutschen militärisch bereits aufgegebene Nordseeinsel Helgoland dem Erdboden gleich machten. 13-jährig – das entspricht etwa unseren Achtklässlern. Als er am Ende des Angriffs den Bunker verließ, war seine Heimat eine unbewohnbare Trümmerwüste. Angesichts der Totalzerstörung aller Wohnhäuser und Gebäude ein Glück, dass es nur wenige Tote gab. Interessiert das unsere Teenager? Ob sich Schüler für das interessieren, was einst ihren Groß- oder Urgroßeltern im gleichen Alter widerfahren ist, hängt vor allem von der jetzigen Eltern-Generation ab. Ihre Pflicht wäre es, das Wissen um das vom Krieg erzeugte Elend und Leid weiterzugeben. Vorausgesetzt, sie haben sich darum bemüht, von IHREN Eltern das Wissen einzufordern.

Wie war das damals?

Die Süddeutsche Zeitung hat vor zwei Wochen mit einer Artikelserie gegen das Vergessen begonnen. Solange sich noch welche finden lassen, werden Zeitzeugen gefragt, „wie war das damals?“ Die Redakteure von CJD-UPDATE wollen im eigenen persönlichen Umfeld die Idee aufgreifen. Lässt sich der Opa überreden, seine Erfahrungen den Enkeln weiterzugeben? Der Versuch ist es wert, wie das Beispiel von Erich-Nummel Krüss aus Helgoland zeigt – eine zufällige Begegnung am Urlaubsort.

Antikriegslied von Pete Seeger2

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Neulich war ein TV-Team der BBC bei ihm. Lauter junge Leute. Ihnen hat er erzählt, was die Engländer mit seiner Heimat gemacht haben damals – ganz offensichtlich bar jeder militärischen Notwendigkeit. Die jungen britischen TV-Macher waren geschockt. Sie hatten nichts gewusst davon. Ein junger Mann fragte: „Kann man das verzeihen? Müssen Sie nicht uns Engländer hassen dafür?“ Krüss darauf: „Wie kann ich die Menschen von heute dafür verantwortlich machen. Ihnen ist kein Vorwurf zu machen. Die junge Generation kann nichts dafür, was einst geschehen ist.“ Und natürlich verwies Krüss auf die Tatsache, dass es ja außerdem die Deutschen waren, die mit dem Bombenwerfen angefangen hatten. Ein versöhnlicher Ansatz mit Erinnerungen umzugehen. (Interview und Podcast mit Erich-Nummel Krüss ist in Vorbereitung)

Linksunten:

Süddeutsche Zeitung: Der Überfall (Bildstrecke)

(*) Text/Bild: Andreas Bubrowski

  1. Am 19. April 1945, zwei Wochen vor Kriegsende, hat die britische Royal Air Force unter anderem mit solchen Bomben das Unterland (eigentlicher Wohnort der Zivilbevölkerung) auf Helgoland dem Erdboden gleich gemacht.
  2. 1962 verhalf Marlene Dietrich dem Lied auf deutsch, englisch und französisch zum Welterfolg.