teaser_computerJugendliche geben im Internet oft
arg- und hemmungslos Privates
preis.
Symbolbild (*)

Eine Schule im Schwalm-Eder-Kreis gab sich neulich „schülernah,“ indem sie auf ihrer Website für ein bekanntes Schüler-Online-Portal Werbung betrieb. Geht man davon aus, dass sich die Schule dafür vom Holtzbrinck-Konzern, dem Betreiber des Schülerportals, nicht bezahlen lässt, zeugt es von einer bemerkenswerten Arglosigkeit. Noch nie davon gehört, wie in „Hassgruppen“ einzelne Schüler fertig gemacht werden? Wie kann man seinen Schülern einen Dienst empfehlen, in dem – nach Angaben des Betreibers – pro Tag rund 3.000 Mails mit Mobbing-Inhalten und pornographische Bildern kursieren1?

Cyber-Mobbing geht 24 Stunden rund um die Uhr

Zumal die Schüler keiner Werbung bedürfen. Denn die Mitgliedschaft in einem Schülerportal gehört für viele zum Dasein wie Liebeskummer und der erste Kuss. Gestern, 10. Februar, gab es den Safer-Internet-Day. Seit 2004 soll dieser Thementag einmal im Jahr die Öffentlichkeit sensibilisieren, welche Gefahren Jugendlichen im Netz drohen.

Wer bisher das Pech hatte, Opfer einer Mobbing-Attacke zu werden, musste diesen Zustand vor allem in den Stunden ertragen, die er in der Schule verbrachte. Im schlimmsten Fall konnte ein Schulwechsel Abhilfe schaffen. Mit den Möglichkeiten des Internets und seiner diversen „sozialen“ Netzwerke ist dieser Ausweg versperrt. Cyber-Mobbing geht 24 Stunden rund um die Uhr. Wenn bösartige Mitschüler einen anderen auf dem Kieker haben, ihn in unvorteilhaften Situation fotografieren oder filmen und Bilder und Clips ins Web stellen, ist es nur ein Frage der Zeit, dass sich auch in der neuen Schule die Verunglimpfung herumspricht2.

Während bei Belästigungen und Hänseleien auf dem Pausenhof die Täter früher oder später namentlich bekannt werden, können diese sich im Internet hinter Nicknamen und dubiosen virtuellen Gruppen verstecken, also ihre Attacken anonym fahren. Außerdem: Wird ein Foto oder Film einmal in der „Wolke“ veröffentlicht, kommt es zu unkalkulierbaren Kopien und Downloads – Mobbing ohne Ende also.

Einer Studie zufolge sind acht Prozent der deutschen Kinder, die durchs Internet surfen, nach eigenen Angaben schon einmal auf Seiten mit brutalen, pornografischen oder rechtsextremen Inhalten gelandet.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung )

Eltern und Lehrer sind gefordert, Kinder und Jugendliche mit der Freiheit des WWW nicht allein zu lassen. Damit die Erwachsenen aber helfen können, müssen sie selbst Bescheid wissen – zumindest in den Grundzügen – welche Möglichkeiten und Gefahren das Web für die Kids bergen kann3. Treffen kann es jeden, der irgendwie auffällt. Es gibt kein typisches „Opferprofil.“ Wer für Mitschüler zu dick, dünn, klein oder groß erscheint, kann mit Bloßstellungen rechnen. Es kann aber auch schon reichen, dass die Turnschuhe „uncool“ sind. Ohne jede Einschränkung kann etwa bei SchülerVZ jemand ein Profil aktivieren wie „Maria ist doof und hat Loser-Turnschuhe.“ Dann kann, wer mag, dort Mitglied werden und fertig ist das „Cyber-Mobbing.“

Im Notfall: Vier Schritte zur Selbstverteidigung

Wen es erwischt, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich innerlich aufzurichten, den Fakten ins Auge zu sehen und sich zu wehren. Folgende Schritte sind zu empfehlen:

  1. Beweise sichern!
    Links kopieren, Fotos und Clips lokal speichern, Impressum der Betreiberseiten bookmarken.
  2. Recht am eigenen Bild!
    Das Recht am eigenen Bild liegt bei der abgebildeten Person. Ist die eigene Person erkennbar Gegenstand einer Abbildung, ist der Betreiber der entsprechenden Seite anzuschreiben (per Mail oder Brief) und zu Löschung des Eintrags aufzufordern. Eine Frist von einer Woche zu setzen und mit dem Anwalt zu drohen, ist angeraten.
  3. Sind die Darstellungen ehrverletzend, ist das ein Fall für die Polizei. Das gilt auch dann, wenn der Betreiber einer Seite nicht auf die Aufforderung zum Löschen eingeht. Die Polizei kann im Fall einer Anzeige die Daten beim Provider prüfen und den Urheber der Attacke ermitteln.
  4. Wenn man weiß oder ahnt, wer Fotos oder Clips ins Netz gestellt hat, ist es angeraten, zunächst äußerlich NICHT zu reagieren. Also sich ahnungslos geben und auf keinen Fall mit den Tätern versuchen zu reden. Das geht in fast allen Fällen nach hinten los. Spuren werden entweder verwischt oder die Attacke noch verschärft.

In jedem Fall sich an Erwachsene wenden. Jugendliche schämen sich oft in so einem Fall. Sucht euch eine Vertrauensperson. Macht mit ihr einen intelligenten Plan. Dann wehrt euch mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln.

Anlässlich des diesjährigen „Safer-Internet-Days“ haben die Betreiber von 17 führenden Netzwerkseiten gegenüber der EU eine Selbstverpflichtung abgegeben, dass man sich zukünftig um einen besseren Schutz von Minderjährigen bemühen werde. So soll auf den entsprechenden Seiten ein Button eingebaut werden, mit dem die Nutzer Cyber-Mobbing per Mausklick melden können. Wenn sie es sich denn trauen.

Linksunten

www.keepcontrol.eu

www.saferinternet.org

(*) Text/Bild: Andreas Bubrowski

  1. Laut Angaben der Betreiber von SchülerVZ. Die Dunkelziffer dürfte erheblich höher liegen.
  2. Zu Beginn des zweiten Halbjahres ist ein ehemaliger Oberurffer Schüler wieder zurückgekommen. Die ehemaligen und zukünftigen Mitschüler freuten sich schon. Zur Verwunderung von Klassenlehrer und Direktor – beide waren noch am Planen, als die vermutete Tatsache der Rückkehr in die alte Klasse im Schülerportal schon als Tatsache die Runde machte. Ein eigentlich nettes Beispiel wie Cyber so wirkt.
  3. Weder dumpfe Verbote noch symbiotisches Mitmachen haben sich als hilfreich erwiesen. Auch gilt es zu respektieren, dass die Kids unter sich sein wollen. Bleibt nur eine permanente Gratwanderung zwischen distanzierter Beobachtung und sachlicher Aufklärung.