Ich lerne mit meinem Vater.“ Diesen Satz, bei dem VATER auch durch OPA oder Nachhilfelehrer ersetzt werden kann, hört man besonders häufig bei Schülern, die im Fach Mathematik bei Klassenarbeiten selbst unter größten Anstrengungen kaum mehr als einen Vierer zustande bringen. Diese Schüler wirken meist resigniert. Sagen von sich, dass Mathe nicht ihr Ding sei. Als Beweis führen sie die vielen unter Aufsicht erduldeten Stunden Lernzeit an, die doch immer nur eine magere Zensurenausbeute bewirken.

xl_teaser_nachhilfe.jpgKommunikatives Lernen (*)

Gleichzeitig fällt jedoch auf, dass dieselben Schüler im Unterricht oft sehr aktiv sind. Ihre mündlichen Noten deutlich besser ausfallen. Auf die Ursachen für diesen Widerspruch angesprochen, gibt es Schulterzucken zur Antwort oder den Hinweis auf einen wiederum unerklärlichen „Black-out.“ Wenn Schüler also im Unterricht gut mitarbeiten, aber im Schriftlichen versagen, TROTZ häuslicher INTENSIVBETREUUNG, dann drängt sich die Frage auf, ob sie vielleicht WEGEN der häuslichen Betreuung versagen oder zumindest weil die Betreuung falsch ausgerichtet ist.

Hilfe nur im Notfall

Der Fachunterricht bietet Schülern GRUNDSÄTZLICH ALLES, was sie für ihren Lernerfolg brauchen:

  • Unterrichts-Konzept (staatlich vorgegebener Lehrplan)
  • Wissensträger (die Fachlehrer)
  • Wissenstransfer (Fachunterricht)
  • Zeit (Unterrichtsstunden, Hausaufgabenbetreuung)
  • Material (Lehrbücher, Unterrichtsskript)
  • Kommunikation (Mitschüler und Lehrer)
  • Beratung (auch über den Unterricht hinaus, etwa per Mail)

Erst wenn einige dieser Komponenten vorübergehend ausfallen, zum Beispiel bei einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt, ist es erforderlich, zusätzliche außerschulische Betreuung zu installieren. Und nur dann. Ansonsten müssen die Schüler lernen, selbstbewusst zu sich zu stehen. Gemeint ist nicht Egoismus oder Rücksichtslosigkeit. Sondern das Erkennen und Akzeptieren EIGENER Potentiale UND GRENZEN.

Wer etwa Mathematik nicht auf Anhieb versteht, wird sich notgedrungen in dem Fach mehr engagieren müssen. Tut er es nicht, sind schlechte Noten die erfahrbare Folge. JETZT gilt es, mit den Folgen fertig zu werden. Das „Kind“ braucht jetzt praktischen Rat und liebevollen Beistand – aber KEINE pauschale Nachhilfe. Wenn es schon nicht gelingt, das umfassende Angebot der Schule aktiv und erfolgreich zu verarbeiten, wie erst soll dann ein ZUSÄTZLICHES Angebot verdaut werden?

Mittelstufe orientiert sich am Mittelmaß

Der Lehrplan in Mathematik orientiert sich bis zur Jahrgangstufe zehn am durchschnittlichen Leistungsvermögen der Schüler, also an einem Mittelmaß. Dieses Mittelmaß ist ein praktischer Gradmesser, um eigene Potentiale und Grenzen zu erkennen. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Kinder und Jugendliche leichter und unbedarfter lernen, als Erwachsene. Nachgewiesen ist aber auch: Ganz unabhängig vom Alter ist MOTIVATION die entscheidende Triebkraft für den Lernerfolg.

xl_reden.jpgZuhören, Fragen, Zeigen, Antworten (*)

Doch nichts ist DEMOTIVIERENDER, als wenn man quasi zu einem lerntechnischen Pflegefall gemacht wird, also dauerhaft Nachhilfe verordnet bekommt. Das ist einerseits in der Clique peinlich. Zum anderen ist es grundsätzlich bedrückend. Klassenarbeiten werden unbewusst zu Abrechnungen. Das miese Ergebnis erzeugt gegenüber dem scheinbar allwissenden Vater, Opa oder Nachhilfelehrer schlechtes Gewissen. Gleichzeitig ist es höchst bequem. Schüler mit Dauernachhilfe sind auffällig schnell mit Rechtfertigungen zur Hand, scheinen angesichts einer ungenügenden Note weniger innerlich betroffen als andere. Wieder nur ein Vierer?

Puhhh … habe doch extra mit dem Papa geübt, Mathe liegt mir halt nicht…

Man ist also irgendwie gar nicht zuständig. Ein Teufelskreis bildet sich. Nachhilfe wird so zur Lernbremse.

Schüler sind schließlich nicht blöd

Was wäre nun eine Alternative? Zunächst einmal braucht der Heranwachsende eine Chance, mit sich allein fertig zu werden. Wenn aber bei auftauchenden Problemen immer gleich ein „Rettungsring“ zur Hand ist, droht der Untergang, wenn mal kein Rettungsring da ist oder da sein darf – wie etwa bei einer Klassenarbeit. Erfolg kann es nur geben, wenn man sich „freigeschwommen“ hat. Ein Jugendlicher wäre ja kein Jugendlicher, wenn er im Problemfall einen immer griffbereiten Schwimmring nicht auch ergreifen würde. Aber aus demselben Grund geht der Schüler auch nicht so leicht unter, wenn KEIN Ring im Zugriff ist. Schüler sind schließlich nicht blöd. Also schwimmen sie, und zwar so lange, bis sie Grund unter den Füßen spüren. Wer sein Kind immer nur mit Schwimmring ins Wasser lässt, nimmt ihm die Chance zum Freischwimmen…

Zum „Freischwimmen“ gehört auch, sich aktiv auf die Suche nach Lernhilfen zu begeben. Dazu gehört neben der Recherche im Internet auch die ganz traditionelle Kommunikation – das Formulieren und Adressieren von Fragen. Eine Fähigkeit, die im SMS-Zeitalter ohnehin verloren zu gehen droht. Im Unterricht Fragen zu stellen, fällt vielen Schülern schwer. Dabei sind FRAGEN der Schlüssel zum Verstehen und Können des Stoffes.

Nachhilfe zielgerichtet einsetzen

Nachhilfe ist eine Art Antibiotika, die man – wie beim Medikament – nur im Notfall und dann nur sparsam und zielgerichtet verabreicht. Wenn etwa ein Schüler der neunten Klasse des Gymnasiums nicht auf Anhieb und ohne Nachzudenken zwei Brüche addieren oder multiplizieren kann, dann IST DAS EIN NOTFALL. Hier ist eine themenbezogene und klar ergebnisorientierte Nachhilfe das geeignete „Medikament.“ Wenn Vater, Opa oder Nachhilfelehrer mit dem Spross drei oder vier Wochen lang BRUCHRECHNUNG üben, mit dem Ziel, dass am Ende Brüche SICHER gerechnet werden KÖNNEN, dann ist das die wirkungsvollste HILFE, die man denken kann. Auch für den laufenden Unterricht.

(*) Text/Bild: Andreas Bubrowski