Von SEBASTIAN EHLERS

Was geht uns das bewusst in einem rechtsfreien Raum betriebene Gefangen­enlager Guantanamo an? „Der US-Überwachungsstaat ist noch maßloser, als viele gedacht haben“, berichtet heute die Süddeutsche Zeitung und bezieht sich dabei auf einen heimlich, still und leise vom Geheimdienst NSA erwirkten richterlichen Beschluss, demzufolge der Dienst alle möglichen Daten des Internetverkehrs und der Telekommunikation absaugen darf.

Mutmaßlich betroffen sind neben Verizone auch die in Deutschland marktführenden Daten-Kraken Google, Facebook und Apple. Deutsche Datenschützer warnen davor, weiterhin Daten auf Servern von Cloud-Diensten hochzuladen, die von US-Firmen betrieben werden. Inzwischen rührt sich in den USA lautstark Protest gegen die Überwachungspolitik des einstigen Hoffnungs­trägers Obama. Wobei wir bei Guantanamo wären. Diese rechtsstaatlich illegitime Einrichtung zu schließen, war einst prägendes Wahlkampfversprechen von US-Präsident Obama. Was daraus geworden ist, analysiert Online-Redakteur Sebastian Ehlers. [BUB]

Die Causa Guantanamo

Nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 richtete der damalige, einschlägig als gänzlich inkompetent bekannte republikanische US-Präsident George W. Bush das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba im Zuge seines ausgerufenen „War on Terror“ ein. Zwar haben sowohl republikanische als auch demokratische Vorgängerregierungen teilweise drastische Maßnahmen gegen den aufkommenden Extremismus ergriffen, doch diese Entscheidung Bushs erreichte einen nie dagewesenen Zenit der Missachtung der allgemeingültigen Menschenrechte und den Beginn einer Ära der Unmenschlichkeit.

In der Administration des Präsidenten war das „Credo“ fast eine unumstößliche Manifestierung aus Intoleranz, Rücksichtslosigkeit und Racheansinnungen. Zweifelsfrei musste der Präsident als politischer und militärischer Führer sowohl innen- als auch außenpolitische Maßnahmen treffen. Die grausamen Anschläge hatten sich fest in das Gedächtnis einer Nation gebrannt, die als unangreifbar galt, und die amerikanische Stärke fundamental erschüttert. Vor dem 11. September strotzten die Vereinigten Staaten vor Selbstbewusstsein und Überlegenheitsbekundungen. Die Titanic wurde jäh von einem Eisberg gerammt. Auch aus Unachtsamkeit, wie die Sicherheitsbehörden dem amerikanischem Volk im Nachhinein ihr eigenes Versagen eingestehen mussten.

Nach dem Schock schlug das Imperium zurück. Bush hatte ein außenpolitisches Ziel: der unerbittliche Kampf gegen den Terrorismus. Mit dem Satz „Wer nicht mit uns ist, ist mit den Terroristen.“ schaffte er auch bei den internationalen Bündnispartnern Zugzwang. Dies schlug sich in der alsbaldigen Invasion Afghanistans und des Iraks nieder. Fern des Kriegsgeschehens ermächtigte Bush die zahlreichen Geheimdienste der Vereinigten Staaten mit der Gefangennahme von Terrorverdächtigen – abseits aller Menschenrechte und der Genfer Konvention.

Nach anfänglicher Zustimmung zu einem derart brutalen und menschenrechtsverachtenden Kurs zeigte sich Resignation, Kriegsmüdigkeit und der Wille zum Wandel in der Bevölkerung. Barack Obama wurde Präsident, unter anderem mit dem Versprechen, Guantanamo endgültig zu schließen. Nach einem erfolglosen Anlauf, der direkt von der Opposition ausgebremst wurde, eröffnet sich nun eine Chance, der internationalen amerikanischen Reputation den Willen nach Freiheit für jeden Menschen und die Wahrung der Bürgerrechte zurückzugeben. Wir haben in Barack Obama die Hoffnung auf einen politischen und ethischen Wandel gesetzt, den Bruch des militärischen Dominanzprinzips und die Chance für die Handreichung für mehr Toleranz und Kooperation. Zeit, den ersten Schritt zu gehen.

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