Von Hanna Hieronymus (Gymnasium 10e)

Grafik: Hanna Hieronymus/CJD Oberurff

Vergangenen Donnerstag eröffnete unser Physiklehrer die Stunde mit folgender Nachricht: „Erhöhte Radioaktivität über Europa!“ Schnell breitete sich Unsicherheit aus, mit dem Sitznachbar wurden fragende Blicke ausgetauscht oder das Ganze mit einem Lächeln einfach als Scherz abgetan. Auf Nachfrage des Lehrers, wer bereits davon erfahren habe, meldete sich lediglich eine Person aus der Klasse. Schlechte Bilanz oder? Schnell kamen erste Fragen auf: Was, wenn es gefährlich ist? Was ist überhaupt passiert? Wie soll man sich davor schützen? Wir erhielten den Auftrag, uns gruppenweise über die Situation zu informieren und binnen einer knappen Stunde zu einer fundierten physikalischen Expertise zu gelangen. Vor allem war zu klären: Müssen wir uns sorgen? Droht uns ein Fukushima 2.0?

Nur eine Person wusste davon. Schlechte Bilanz oder?

Was wir dabei herausgefunden haben und ob es für uns in Deutschland gefährlich werden könnte, soll im Folgenden näher erläutert werden.

Was ist passiert?

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat eine leicht erhöhte Konzentration von radioaktivem Jod-131 gemeldet, welches in bodennaher Luft gemessen wurde. Betroffen hiervon sind weite Teile Europas, darunter auch Deutschland. Was genau jedoch der Auslöser hierfür war, ist unklar. Zwar gab es zahlreiche Spekulationen, darunter etwa die eines Atomtests1 oder eines Unfalls in einem Atomkraftwerk2, welche allesamt jedoch nicht bestätigt wurden. Die französische Aufsichtsehörde ISRN vermutet, dass die erhöhte Radioaktivität durch ein Pharmaunternehmen verursacht wurde. Laut BfS gab es in der Vergangenheit bereits häufiger Schwankungen in der Jod-131-Konzentration. In mindestens einem Fall ließ sich ein Pharmaunternehmen als Verursacher ausmachen.

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Radioaktivität über Europa – woher kommt das Jod 131?

Ist es gesundheitsgefährdend?

Nein, es ist nicht gesundheitsgefährdend. Konzentrationen von millionstel Becquerel pro Kubikmeter und darunter sind extrem niedrig und laut BfS nur mit hochempfindlichen Detektoren überhaupt zu registrieren. Die natürliche Exposition von Strahlen in Deutschland beträgt pro Jahr durchschnittlich 2,1 Millisievert. Gesundheitsgefährdend wäre jedoch erst eine Überschreitung des Grenzwertes von mehr als 20 Millisievert pro Jahr. Es besteht also kein Anlass zur Besorgnis.

Was hat es für Auswirkungen?

Grundsätzlich benötigt die Schilddrüse zur Produktion wichtiger Hormone natürliches Jod. Radioaktives Jod-131 lagert sich auf Pflanzen ab, wird von Tieren aufgenommen und gelangt somit in die Nahrungskette des Menschen. Es reichert sich in der Schilddrüse an und kann dort nur sehr langsam abgebaut werden. Die Schilddrüse kann nicht zwischen harmlosem und radioaktivem Jod entscheiden. Radioaktives Jod kann sowohl zu Autoimmunerkrankungen als auch zu Krebs führen.

Wie kann man sich schützen?

Durch die Einnahme von Jodtabletten verschließen sich die Transportwege für das radioaktive Jod. Dieses wird nicht mehr in der Schilddrüse eingelagert, sondern relativ schnell über die Nieren ausgeschieden. Von der prophylaktischen Einnahme von Jodtabletten ist jedoch abzuraten, da sich dadurch das Risiko von Schilddrüsenerkrankungen erhöhen kann und nur eine hohe, gesundheitsgefährdende Radioaktivität direkt über Deutschland würde die Einnahme solch hochdosierter Jodtabletten rechtfertigen.

Wie lange besteht grundsätzlich die Gefahr von Jod-131 in der Atmosphäre?

Bei Jod-131 handelt es sich um eine flüchtige Substanz, welche sich schnell über die Luft verbreiten kann und nur sehr kurze Zeit messbar ist. Darum ist auch ihre Herkunft schwer nachzuvollziehen. Jod-131 hat eine Halbwertszeit3 von rund acht Tagen.

Gab es so etwas schon in der Vergangenheit?

Die Verfasserin. Foto: BUB

Der aktuelle Vorfall erinnert uns stark an die Atomkatastrophen in Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011, bei denen ebenfalls Jod-131 freigesetzt wurde. Dies allerdings in sehr viel höheren und gesundheitsgefährdenden Dosen.

Fazit: Dieser Vorfall lehrt uns, wie wichtig es ist, das aktuelle Weltgeschehen mitzuverfolgen. Hätten wir im Physikunterricht nicht über die Strahlenbelastung über Europa gesprochen, hätten wir es vermutlich überhaupt nicht mitbekommen. Hierbei geht es nicht nur um die Frage schädlich oder nicht, sondern darum, ein Bewusstsein für das, was um uns herum geschieht, zu entwickeln. Wir sind diejenigen, die es betrifft, aber doch fühlen wir uns oft unbetroffen.

(Gestaltung: BUB)

  1. Ein Atomtest hätte weltweit zur Messung entsprechender seismischer Aktivitäten führen müssen. Da das nicht der Fall ist, scheidet diese Ursache aus.
  2. Auch ein Unfall in einem Atomkraftwerk kann nicht Verursacher sein, denn dann hätte man zahlreiche weitere Nuklide messen können, was aber nicht der Fall ist.
  3. Halbwertszeit: Zeitspanne, in der die Menge eines Radionuklids durch Zerfall auf die Hälfte gesunken ist.