Eine Reportage von Maike Holland-Letz mit Kommentaren zu ‚Bonnie und Clyde‘ von Anna Kraushaar, Steffen Kunzmann und Caroline Jonas

953 komfortable Sitzplätze, 33 elektrische Züge, 4 Hubpodien, 3 Flugeinrichtungen, 25 Meter Bühnenbreite, 15 Meter Bühnentiefe, 95 Quadratmeter Orchestergraben, um die 3.000 Scheinwerfer. Und wir mitten drin. „Meine Güte, ist das groß!“, habe bestimmt nicht nur ich beim Anblick von der Bühne des Opernhauses im Staatstheater aus gedacht. Die gesamte Klasse 9f1 und Lehrerin Katharina von Urff standen plötzlich mitten auf der Bühne, auf der am gleichen Abend noch die Oper Othello aufgeführt werden sollte.

Hinter den Kulissen. Foto: privat

Bei unserer Führung durch das Theater durch Frau Häger von der Theater­verwaltung bekamen wir einen interessanten Einblick in die Theaterwelt. Rings um uns herum standen gigantische Bühnenkulissen, für Othello schwarze Wände mit Schiffsschrauben, auf die später sogar einlaufendes Wasser projiziert werden kann, damit die Schiffsatmosphäre noch echter wirkt – im Theater wird mit allen möglichen Tricks gearbeitet. So auch die augenscheinliche Ofenkohle, die den Bühnenboden bedeckt – alles nur Schaumstoff!

Equipment im Wert von über eine Million Euro

Im Kostümlager. Foto: privat

Insgesamt, so erklärte uns der Bühnenbildaufseher, stehen für Othello-Kulisse und technisches Equipment im Wert von über eine Million (!) Euro auf und hinter der Bühne. Damit diesem Wert nichts geschieht, auch wenn hinter den Kulissen bis zu 200 Leute herum­wuseln, gibt es extra Leute, die den Trubel beaufsichtigen und koordi­nieren, und dies von der ersten Anlieferung des Bühnenbildes bis zum großen Auftritt. Und wer denkt, dass am Tag im Theater­raum nichts los ist, täuscht sich – um die riesigen Bühnenstücke vom Vorabend ab- und die neuen Kulissen aufzubauen, braucht das Team jede Minute des Zwischenstückzeitraums. Frau Häger zeigte uns jedoch nicht nur die Oberfläche der Bühne, sondern ging mit uns auch in das Bühnenunter­geschoss – von wo aus man durch Podeste wie auf magische Weise auf der Bühne auftauchen kann…

Wer gerne einen heutzutage außergewöhnlichen Beruf erlernen möchte, muss bloß zum Theater gehen – oder wer hätten gedacht, dass man beim Theater Schuhmacher werden kann? Kein Scherz, das Staatstheater Kassel hat seine eigene Schuhmacherwerkstatt – und das aus gutem Grund. Denn die Schauspieler brauchen oft maßgeschneiderte Schuhe, um sich auf der Bühne voll und ganz auf ihren Auftritt konzentrieren zu können. Dazu gehört auch, dass der Schuh die richtige Sohle hat, damit der Schauspieler nicht plötzlich auf der Bühne ausrutscht, wenn mit anderen Bühnenober­flächen gearbeitet wird. Ein weiter Grund ist natürlich, dass das Theater oft Schuhe aus vergangen Zeiten benötigt, um seine Kostüme realistisch wirken zu lassen. Und in welchem Schuhgeschäft bekommt man denn Schuhe wie aus dem 18. Jahrhundert?

Schuhmacherwerkstatt. Foto: privat

Und schließlich der Raum, der alle Mädchenherzen schneller schlagen lässt: der Kostüm- und Schuhla­ger­raum. Etwa 6.000 Paar Schuhe und unzählige Kleiderständer, nach Theaterstück, Epoche, Stil und Größe geordnet. Kleider so groß wie Zelte und schwer wie Rüstungen, Schuhe, die einen plötzlich 20 cm wachsen lassen, Prothesen, die einem den Hintern um das 5 fache anschwellen lassen – im Theater ist alles möglich! Da können die Stoffe auch mal pro Meter 120 Euro kosten. Außerdem sahen wir während unserer Führung noch den Orchesterproberaum, einen Proberaum und viele Verwaltungstüren. So bekamen wir einen schönen und vielseitigen Blick hinter all das, was auf der Bühne passiert.

Kommentar von Anna-Katharina Kraushaar

Nachdem die Führung beendet ist, sind wir in das Tif (Theater im Fridericianum) gegangen, um uns das Stück ‚Bonnie und Clyde‘ anzuschauen. Ich persönlich bin sehr beeindruckt gewesen und habe niemals gedacht, dass nur drei Schauspieler so viele verschiedene Rollen spiele können. Obwohl die Bühne nicht groß ist, hat man sich alles vorstellen können, und die Reifen als Kulissen waren toll. Die Atmosphäre war unbeschreiblich, wie die Lichttechnik war und alles abgestimmt ist, war unglaublich, dort darf man sich keine Fehler erlauben. Fast alles ist perfekt gewesen, bis auf einen Ausrutscher von dem, der den großen Bruder von Clyde spielte. Er hatte einen kleinen Texthänger. Aber es ist nicht sonderlich aufgefallen, es ging sofort weiter, als ob nichts passiert wäre. Alles in allem ist die Theatervorstellung von ‚Bonnie und Clyde‘ sehr zu empfehlen, da es spannend und abwechslungsreich ist.

Kommentar von Steffen Kunzmann

Das Stück, das gespielt wird, heißt ‚Bonnie und Clyde‘ und beruht auf einer wahren Geschichte. Bonnie und Clyde waren ein Gangsterpärchen, das Anfang der 1930er Jahre im Süden der USA unterwegs war und Überfälle und Morde verübte.
Thomas Richhardt hat das Stück geschrieben und es hat den Untertitel „Ein Stück für drei Schauspieler und einen Fluchtwagen“. Es spielen tatsächlich nur drei Schauspieler mit, die aber immer wieder Rollen und Kostüme wechseln, denn es wird abwechselnd die Geschichte von damals mit Bonnie und Clyde und die von heute mit Steini und Judith erzählt.
Die Darsteller spielen toll, die Schüler schauen gespannt zu und sind am Ende begeistert. Es gibt einen langen und verdienten Applaus für die Schauspieler.

Kommentar von Caroline Jonas

Als dann im Theatersaal die Vorstellung beginnt und plötzlich eine junge Frau in Unterhose mit einer Zigarette im dämmrigem Licht ihre Schauspielkünste unter Beweis stellt, sind alle Zuhörer wie gebannt vom Stück. Lautes Gebrüll, Textsicherheit und das Einbringen von Zitaten aus bekannten Filmen wie „King Kong“ oder „Notting Hill“ machten den Theaterbesuch zu einem spannenden Ereignis.

‚Bonnie und Clyde‘ wird 2011 nur noch am Sonntag, 4. Dezember (20.15 Uhr – 21.30 Uhr) gespielt. Sehenswert sind bestimmt auch die Oper ‚Die Zauber­flöte‘, das Musical ‚Cabaret‘ und das Stück ‚Leonce und Lena‘. Für Füh­run­gen hinter den Kulissen kann man entweder den Deutschlehrer überreden oder einfach selbst hingehen. Im Dezember sind nachmittags sogar sieben Termine im Angebot, die auch mit auf dem Spielplan aufgeführt sind.

Linksunten: Staatstheater Kassel – Spielplan

(Gestaltung: abu)

  1. Ein Jahr später nun schon in der 11, G8 macht’s möglich.