Gib her, Du Penner!“ Bärbel Kopp (Name geändert) ist entsetzt. Gerade hat sie ihren Sohn und dessen Schulkameraden in Oberurff von der Schule abgeholt. Beide Jungen – gute Schüler der Jahrgangsstufe neun – sitzen hinten im Auto. Und giften sich scheinbar ständig an. Als ihr Sohn schließlich seinen doch immerhin besten Kumpel auffordert, sich zu verpissen, wird es der Mutter zu bunt.

xl_teaser_gewalt.jpgBestimmte Musikrichtungen stellen Gewalt als cool dar. Doch wird dadurch das Verhalten Jugendlicher beeinflusst? (*)

Empört fährt sie ihren Sohn an, was er sich erlaube, so mit seinem Klassenkameraden umzuspringen. Dann plötzlich ist alle Feindseligkeit wie in Luft aufgelöst. Die Jungen lachen. „Ach Mama, das muss Dich nicht sch…, das ist nicht ernst gemeint.“ Frau Kopp schüttelt irritiert den Kopf.

Die skizzierte Szene ist kein Einzelfall. Obwohl Oberurff in Sachen Gewalt unter Jugendlichen einem Paradies zu gleichen scheint. Physische Gewalt ist im Schulalltag kein Thema. Kein Vergleich mit dem, was man über Schulen in deutschen Großstädten liest. Doch GEWALT fängt nicht beim Zuschlagen an. Auch hier gilt: Am Anfang ist das Wort – und vorher der Gedanke. Wenn es bei uns auch keine Gewaltausbrüche gibt, so ist der verbale Umgang miteinander, also WIE und WAS man miteinander redet – nicht frei von Gewalt. Außerdem ist Gewalt unter Jugendlichen und das Jugendstrafrecht seit dem Wochenende WAHLKAMPFTHEMA – zunächst in Hessen, wo in Kürze Landtagswahlen stattfinden

Das ist eine Form von Gewalt

Wo kommt der rauhe Umgangston her? Eltern und Lehrer sind mehr oder weniger ratlos. Im Unterricht achten die meisten Lehrer zwar konsequent auf einen freundlichen Umgangston im Klassenraum. Und wer in den Pausen erwischt wird, wie er Unflätigkeiten herumbrüllt, kann mit einer Disziplinarmaßnahme rechnen. Doch das ändert nicht die Neigung, sich eher grobe oder gar beleidigende Ausdrücke an den Kopf zu werfen. Das ist eine Form von Gewalt. Ist es ein Ventil? Aber wofür? Vielleicht wissen es die Kids selbst nicht? Tun sie es, weil es alle tun oder die Medien sagen, dass es cool ist, wenn man es tut? Man könnte die Verrohung der Umgangsformen psychologisch oder als gesellschaftliches Phänomen deuten, schließlich sind die Erwachsenen oft nicht viel besser, auch wenn sie ihre Feindseligkeiten und Rechthabereien über Rechtsanwälte auszufechten suchen.

xl_konzerthiphop.jpgMachogehabe gilt als männlich, ist aber auch Zeichen von Unsicherheit. (*)

Darüber Reden

Was soll man aber tun? In Oberurff könnten wir zwar eigentlich relaxt bleiben. Bei uns kommt die Polizei höchstens einmal, wenn die Mopedplaketten einiger Schüler abgelaufen sind… Dennoch. Man sollte nicht in starren Fronten verharren: Einerseits die jungen Erwachsenen und Alten, die nicht verstehen, was der derbe Umgang soll und es mit Gegenmaßnahmen zu verhindern suchen; andererseits die Jungen, die es tun, vermutlich nichts Schlimmes dabei finden, allerdings sich auch nicht bewusst sind, dass ein solcher Umgangston Gewohnheit werden kann. Man sollte darüber REDEN.

Die Redaktion von CJD-Update wird in nächster Zeit diesen Fragen nachgehen, mit Recherchen, Berichten und Interviews. Und wer kann und will – kann sich HIER äußern.

(*) Text/Bild: Andreas Bubrowski