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Jörg Steinmetz
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Momentan ist es hip, sich als Schülerin – die besonders – oder Schüler um die 14 Jahre Unterarme und Handrücken vollzukritzeln. Das sieht zunächst unsauber und unschön aus. Soll es ja auch. Aber bevor man/Lehrer es merkt, ist man/Lehrer auch schon reingefallen. Und regt sich auf, schickt die Schüler zum Waschen. Dann kommen sie zurück, mit vom Sauberrubbeln hochroten und weniger verschmierten Armen. Denn die Farbe der benutzten Stifte ist meist nicht wasserlöslich. Nächste Stunde ist wieder alles bemalt.

Junge (Mädchen) wie du wieder aussiehst!

Die Ärzte haben mit ihrer neuen Punk-Single die Situation mancher Schüler im Mark getroffen. Die bemalten Gliedmaßen mögen im Unterricht auffallen. Aber die zerfetze Hose, die lärmende Musik, Piercing-Löcher und die suggestive Unterstellung, „ihr nehmt doch alle Drogen,“ sind vermutlich hier und da eher Thema daheim. Was soll das nun? Zu allererst ist es ein Test, ob und wie weit Nicht-Jugendliche Jugendliche ernst nehmen. Eine harte Prüfung, denn es ist ja nicht nur spießige Nörgelei. Es ist ja auch Sorge. Sich giftige Farbe auf die Haut kleistern ist schließlich eine Form der Selbstverletzung; kann im Extremfall krank machen. Soll man es sehen und nichts tun? Aber vielleicht erwarten die Jungen von den Alten ja gerade, dass man sie anspricht, ermahnt und zum Reinigen schickt? Der gelehrte Psychologe würde es „Aufmerksamkeit und Zuwendung erregen“ nennen. Aber vielleicht soll gerade dieses Schubladendenken ad absurdum geführt werden? Ist es also eine Form von Protest? Protest gegen wen oder was?

Im Songtext folgen den Vorwürfen der Erwachsenen das Drohen und Klagen:

Was sollen die Nachbarn sagen? Du brichst deiner Mutter das Herz! Wir werden dich enterben! Was soll das Finanzamt sagen? Wo soll das alles enden? Willst du, dass wir sterben?

Ist alles Bemalen, Färben, Lärmen, Piercen, Verweigern, Provozieren vielleicht das lautstarke Wiederholen der Frage nach dem SINN? Denn offensichtlich liegt der Sinn des einerseits so anstrengenden, andererseits so schönen Lebens NICHT hierin:

Guck dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto. Warum gehst du nicht zu Onkel Werner in die Werkstatt? Der gibt dir ‘ne Festanstellung, wenn du ihn darum bittest. Du hast dich doch früher so für Tiere interessiert. Wäre das nichts für dich? Eine eigene Praxis! Und du warst so ein süßes Kind. Du warst so süß. Was sollen die Nachbarn sagen? Denk an deine Zukunft, denk an deine Eltern.

Aber worin dann? … da haben die Nicht-Jugendlichen wohl einigen Nachholbedarf.

Die Ärzte – JUNGE

Auch die Ärzte sind fast schon eine „Rentnerband.“ Denn Dirk Felsenheimer (Bela B.) und Jan Vetter (Farin Urlaub) sind bereits seit Mitte der 80er Jahre am Punken. Nach Auflösung und Neugründung der Band in den 90ern kam Rodrigo Gonzalez (Rod) hinzu. Das musikalische Format war einst aufregend, inspirierend, provozierend. Heute ist Punk oft nur noch destruktiv, vulgär, reaktionär und wird in Fachkreisen spöttisch als „Kirmes-Punk“ bezeichnet. Mal sehen, ob und wie das neue Ärzte-Album, JAZZ IST ANDERS, ab 2. November im Handel, die desillusionierte und gesellschaftskritische Weltsicht des Punk der späten 1970er im Jahre 2007 wieder auferstehen lässt. JUNGE, die erste Auskopplung, ist schon mal ein vielversprechender Anfang der „Punk-Opas.“

Junge, warum hast du nichts gelernt?
Guck dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto.
Warum gehst du nicht zu Onkel Werner in die Werkstatt?
Der gibt dir ‘ne Festanstellung, wenn du ihn darum bittest.

Junge – und wie du wieder aussiehst!
Löcher in der Hose und ständig dieser Lärm.
Was sollen die Nachbarn sagen?
Und dann noch deine Haare, da fehlen mir die Worte.
Musst du die denn färben?
Was sollen die Nachbarn sagen?
Nie kommst du nach Hause, wir wissen nicht mehr weiter.

Junge, brich deiner Mutter nicht das Herz.
Es ist noch nicht zu spät, dich an der Uni einzuschreiben.
Du hast dich doch früher so für Tiere interessiert,
Wäre das nichts für dich?
Eine eigene Praxis!

Junge – und wie du wieder aussiehst!
Löcher in der Nase und ständig dieser Lärm!
Elektrische Gitarren und immer diese Texte,
Das will doch keiner hören!
Was sollen die Nachbaren sagen?
Nie kommst du nach Hause, so viel schlechter Umgang!
Wir werden dich enterben!
Was soll das Finanzamt sagen?

Wo soll das alles enden?
Wir machen uns doch Sorgen!
Und du warst so ein süßes Kind.
Und du warst so ein süßes Kind.
Und du warst so ein süßes Kind.
Du warst so süß.

Und immer deine Freunde – ihr nehmt doch alle Drogen!
Und ständig dieser Lärm!
Was sollen die Nachbarn sagen?
Denk an deine Zukunft, denk an deine Eltern.
Willst du, daß wir sterben?

(Redaktion: Andreas Bubrowski)

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Zum Weiterhören: … EINEM LANGWEILIGEN LEBEN VORBEUGEN