Ausdrucksmalen: Farbenmischen im Selbstversuch | Bild: Andreas Bubrowski/CJD Oberurff
Farbenmischen im Selbstversuch.

Der Physikunterricht der Jahrgangsstufe 7 bietet einen ersten Einstieg in die Hauptgebiete dieser experimentellen Wissenschaft. In „Optik 1“ sollen die Schüler die Grundgesetze der Strahlenoptik erkennen, beschreiben und in Schülerversuchen experimentell bestätigen. Beim Themenschwerpunkt BRECHUNG/TOTALREFLEXION „begegnen“ ihnen dabei Farben, denn an der Grenzfläche eines Prismas wird Licht in seine Farbanteile gebrochen. Bei einer erkenntnisfreudigen Klasse wie der 7b kann man es unmöglich dabei bewenden lassen. Als „Belohnung“ für ausgesprochen engagiertes Forschen gab es zum Abschluss der Themeneinheit einen Workshop Ausdrucksmalen mit Bärbel Yamine (PTZ). Farbenmischen im Selbstversuch.

AUSDRUCKSMALEN mit der 7b

Von Bärbel Yamine (PTZ)

„Was ist der Unterschied zwischen Kunstunterricht und Ausdrucksmalen?“, lautete meine Eingangsfrage, als ich vor der Klasse 7b stand. Sofort schnellten die Finger hoch, denn man hatte sich ja schließlich vorbereitet und ich erhielt die kompetente Auskunft, „dass es im Kunstunterricht letztendlich auf das Ergebnis ankomme, während beim Ausdrucksmalen der Malprozess das Wesentliche sei“. Bingo – genauso ist es.

Frei machen von „sozialen Erwartungshaltungen“ | Bild: Andreas Bubrowski/CJD Oberurff
Ausdrucksmalen: Frei machen von „sozialen Erwartungshaltungen“.

Beim Ausdrucksmalen kommt es nicht darauf an, was auf dem Papier letztendlich entsteht, sondern welche kreativen Impulse beim Malenden hochkommen und diesen nachzugehen und malerisch auszudrücken, ohne Rücksicht auf eine Bewertung von „außen“. Auch wenn der Schüler mit seinem Ergebnis nicht zufrieden sein sollte und das Gefühl von Unvermögen oder Kritik am eigenen Bild hochkommt, ist es wichtig, diesen freien Prozess zu durchlaufen und durchzustehen und sich nach und nach frei zu machen von der „sozialen Erwartungshaltung“, um sich schließlich nur noch dem kreativen Ausdruck hinzugeben. Dies ist sehr anspruchsvoll, denn wir werden oft schon in frühen Kindertagen dazu angehalten, das zu tun, was andere uns vorgeben. Dadurch entwickeln sich Blockaden, Abneigungen und Frustrationen. Wenn sich die Malenden diesen Herausforderungen stellen, lernen sie kreative Lösungen zu finden. Diese Erfahrung stärkt das Selbstvertrauen und das Vertrauen ins eigene Gestalten.

„Wie, ich kann malen was ich will?“

Ausdrucksmalen: Der Blaue Tisch? | Bild: Andreas Bubrowski/CJD Oberurff
Der Blaue Tisch.

Die Schüler der Klasse 7b standen nun vor der Herausforderung, sich auf dieses Experiment – der freien Assoziation beim Malen – einzulassen. Das war gar nicht so einfach. „Wie, ich kann malen, was ich will?“, waren einige ungläubige Reaktionen. Eine weitere Regel war, nicht zu sprechen und das Gemalte des Nachbarn auf keinen Fall zu bewerten oder zu kommentieren, auch nicht im Positiven, denn das würde den Malprozess blockieren. Die Regel betraf auch den anwesenden Fachlehrer1, der die ganze Zeit über „die Klappe“ halten musste. Etwas verunsichert, aber doch irgendwie neugierig, machten sich die Schüler daran, ihr erstes Bild zu malen. Mein Vorschlag war, erst einmal mit einer Grundfarbe zu starten, um zu sehen und zu spüren, was sich im Bild zeigen würde, um dann das Bild gegebenenfalls zu erweitern.

Galerie: Ausdrucksmalen als Selbstversuch in Physik/Optik2

Zu Beginn war bei einigen das Vertrauen noch nicht da, ob wirklich alles erlaubt sei. Immer wieder wurde ich aufgefordert zu bestätigen, dass was an kreativen Impulsen hoch kam, auch wirklich malen zu dürfen. Hier zeigt sich, wie sehr unsere Schüler doch konditioniert sind, Vorgaben von Lehrern umzusetzen und dabei die eigenen kreativen Impulse zu verdrängen. Aber nach einiger Zeit entspannten sich die Schüler und es wurde ausprobiert. Wie verändert sich das Bild, wenn ich es mit der Hand verwische, noch eine Farbe hinzufüge, vielleicht Farben mit der Hand verwischen…

Es wurde am Ende vor Begeisterung viel gelacht

Einige Schüler wurden immer experimentierfreudiger und fühlten sich in die Zeit versetzt, als noch alles erlaubt war. Eine Jungengruppe hatte ersichtlich großen Spaß daran, die Farben zu verwischen und mal kein vorgegebenes Bild malen zu müssen – es wurde am Ende vor Begeisterung viel gelacht. Andere waren konzentriert und scheinbar versunken in dem, was sie gerade malten. UND – Es herrschte zum größten Teil eine kreative Stille im Raum, die den Fachlehrer und mich sehr beeindruckte. Immerhin waren es 21 quicklebendige Teenager, die zwar manchmal flüsterten, aber ansonsten mit ihrem Malexperiment beschäftigt waren.

Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde | Bild: Andreas Bubrowski/CJD Oberurff
Gemeinschaftsbild: Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde

Zum Schluss sollte es noch ein Gemeinschaftsbild geben. An der Tafel hing ein großes leeres Blatt, das die Kinder mit Malkreide füllen sollten. Diesmal gab es jedoch ein Thema: die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde sollten kreativ zum Ausdruck gebracht werden. Jeder konnte ein Element künstlerisch auf seine Art und Weise zum Ausdruck bringen. So entstand ein sehr ausdrucksstarkes Abschlussbild als Erinnerung an dieses außergewöhnliche Experiment AUSDRUCKSMALEN. Mir hat der Workshop viel Spaß gemacht. Ich bin von dieser Klasse beeindruckt. Mein Kompliment an die 7b3 noch nachträglich.

DANKSAGUNG: Birgit Reimer, Kunstlehrerin, für die kollegiale Unterstützung bei der Vorbereitung des Workshops; Michael Ottemeyer, Leiter PTZ, für die Freistellung der Autorin; Günter Koch, Schulleiter, für die Bewilligung der Veranstaltung.

(Teaser/Fotos/Gestaltung: Andreas Bubrowski)

  1. Physiklehrer: Andreas Bubrowski
  2. Auswahl und Reihenfolge der Fotos sind ausschließlich gestalterisch bedingt und stellen keine Wertung dar.
  3. Das von den Schülern einheitliche getragene schwarz war ein weiterer Projektaspekt des Workshops. Dazu wird später ein Schüler berichten.