Überzogene Mimik – Wie viel Anstrengung steckt dahinter?
Überzogene Mimik –
Wie viel Anstrengung steckt dahinter?

Es schien, als blühten die Herbst­far­ben gerade erst so richtig auf, als am vergangenen Mittwoch gut 130 Schüler wie bunte Blätter umhertanzten, mitgerissen vom Wind der Musik. Das Zeichen dafür, dass also auch in diesem Jahr, dank Organisatorin Annette Uhlén, die Young Americans wieder einen Weg zu uns in die CJD Christophorusschule Oberurff gefunden hatten und es schafften, Teilnehmer sowie Zuschauer zu bewegen – im wahrsten Sinne des Wortes. Hinter dieser ausgedrückten Leichtigkeit während des Endauftrittes steckten allerdings einige Tage anstrengenden Workshops. Das mehrheitliche Endresultat: „Auf jeden Fall wieder!“

Der Workshop: Freiwillig früher ins Bett

Obwohl ständig auf Reisen, versprühte die rund 50-köpfige Gruppe am Montag mit ihrer Demo-Vorführung gleich eine Menge Motivation. Für alle Unentschlossenen und Interessierten sollte dies ein kleiner Vorgeschmack sein, bevor es dann direkt zur Sache ging:

Die Einteilung der 133 Teilnehmer in drei Gruppen erfolgte strikt nach Alter – und ein bisschen nach Freunden. Stark vertreten waren dabei Fünft- bis Siebtklässler. Oberstufe? Da traute sich wohl keiner. Dem Eifer während der nachfolgenden zwei Trainingstage dürfte das aber keinen Abbruch getan haben. Im Gegenteil: In all die Komik-, Tanz-, Sprech- und Gesangproben wurde so viel Konzentration und Elan hineingesteckt, dass der ein oder andere am Abend sogar freiwillig früher ins Bett ging, um am nächsten Tag wieder mit dabei zu sein. Waren die Parts der drei Gruppen einstudiert, wurden sie in der Turnhalle zu einem großen Kunstwerk zusammengefügt. Einen wichtigen Aspekt dabei stellten die einheitlichen Gruppen-T-Shirts in Blau, Grün und Lila dar. Sie dienten den Schülern und Coaches als eine gute Koordinationshilfe, und für die Zuschauer wurden sie hinterher zu einem optischen Highlight.

Die Essenz: Trauen, Vertrauen, Hürden nehmen

Eine wichtige Lektion für so manche Lebenssituation: „Zusammen sind wir stark.“ Im Alleingang wäre während dieses Workshops wohl keiner durchgekommen, denn es war immer Teamwork angesagt. Was mit den synchronen Tanzeinlagen anfing, ging auch bei der Kommunikation weiter: „Das meiste wurde auf Englisch geredet. Zwei Young Americans konnten übersetzen und einige andere sprachen auch etwas Deutsch. Man hat also beidseitig voneinander gelernt“, erzählt eine Fünftklässlerin. „Außerdem konnte ein älteres Mädchen gut Englisch und hat dann auch mal geholfen. Notfalls haben wir uns eben mit Zeichensprache verständigt.“

Triumphierend eine Hürde genommen – aus klein wird groß
Triumphierend eine Hürde genommen – aus klein wird groß

Über den eigenen Schatten springen musste auch so mancher bei seinem Solo: „Das war echt richtig anstrengend und ich stand dann ganz alleine da“, berichtet eine andere Klassenkameradin, im Nachhinein aber sicher sehr stolz auf die eigene Leistung. Und selbst für die „großen“ Young Americans ist es jedes Mal aufs Neue spannend, in welchen Gastfamilien sie wohl unterkommen können. Eine gegenseitige Dankbarkeit schafft dann umso mehr Bindung. Kein Wunder also, dass der Zusammenhalt am Ende deutlich so spürbar war.

Mit den 50 Euro Teilnahmegebühr bezahlten die Eltern letztlich nicht nur die Möglichkeit ihres Kindes, an der Erarbeitung und Vorführung eines bunten Auftrittes teilhaben zu dürfen. Und es war auch weit mehr als eine praktische Übungsmöglichkeit der Fremdsprache. Gestärktes Vertrauen zu sich selbst und anderen, möglicherweise neue Vorbilder, Freundschaften – international – und zahlreiche aufregende Erfahrungen wurden gesammelt.

Das Finale: „Jedem sein“ Talent

Vor dem finalen Event am Mittwoch wuchs auch bei den Eltern die Anspannung. – Das fing schon mit der Parkplatzsuche vor der fast ausverkauften Ense-Halle in Bad Wildungen an und endete auch nicht, nachdem die Kamera nun endlich in Stellung gebracht worden war.
Um 19.30 Uhr dann der Anpfiff: Zunächst heizten die Profis so richtig auf und beeindruckten mit Chorgesang, (Stepp-) Tanz und Solostimmen. Bemerkenswert dabei die Lebensfreude in jeder Bewegung und jedem Ton. Während in anderen Jobs so mancher irgendwann mit Erschöpfung zu kämpfen hat, schien hier allein die Freude an der Musik zu überwiegen.

An manchen Stellen konnte allerdings der Eindruck erweckt werden, als versuchte man mit teilweise übertriebener Mimik die doch irgendwie vorhandene Anstrengung zu überspielen. Ganz ohne Übung geht das Tour-Leben mit immer guter Laune zumindest nicht: Jeder der 18- bis 23-jährigen Künstler ist Absolvent einer neunmonatigen College-Ausbildung in Amerika, mit vorheriger Aufnahmeprüfung versteht sich.

Ziel des Non-Profit-Unternehmens ist und bleibt aber: Entertainment. Und das gelang durch und durch. Bei einer Mischung aus Rock, Jazz, Hip-Hop und Musical war bestimmt für jeden der gut 500 Zuschauer etwas dabei.

Organisatorin Annette Uhlén bekommt eine goldene Schallplatte, überreicht von Associate Director Bruce Sampson
Organisatorin Annette Uhlén bekommt eine
goldene Schallplatte, überreicht von
Associate Director Bruce Sampson
Nach knapp einer Stunde dann erstmal Pause. – Und gleich wieder Anspannung, denn jetzt kamen die eigentlichen Personen im Mittelpunkt. „Unser Oberurffer Team“ sozusagen. Was die Profis lange trainiert hatten, war natürlich unmöglich, in knapp drei Tagen sich anzueignen, den Spaß und Enthusiasmus dabei aber offensichtlich schon. Ausschlaggebend dafür sicherlich auch die Haltung im Workshop, niemandem eine Aufgabe aufzwängen zu wollen, sondern lediglich die ja bereits vorhandenen Fähigkeiten aufzuzeigen und zu fördern. Das merkte man:

„Wir rocken hier voll ab!“, so also zwei Minuten vor Beginn die freudigen Erwartungen einer Fünftklässlerin. Die nächste Stunde füllte dann ein buntes Medley aus verschiedensten Hits der letzten Jahrzehnte, mit Tanz und Gesang, Komik, Pantomime sowie ebenso mutigen wie bemerkenswerten Soloeinlagen. Passende Songs wie „All you need is love“ und „We are the world“ schlossen letztlich einen glanzvollen und äußerst facettenreichen Abend ab.

Young Americans – Jedem sein Talent…

Am Ende waren die jungen Akteure zwar sichtlich erleichtert und zufrieden, der Abschied aber fiel ziemlich schwer. Für die Young Americans geht die Reise weiter, und das nicht nur durch Deutschland. Auch in Japan, Kanada, Amerika und Afrika finden parallele Touren weiterer Gruppen statt und jedes Jahr werden diese neu gemischt. Vorfreude auf ein nächstes Mal in Oberurff darf es aber auch schon geben: 2015 kommen sie wieder. JONAS KNUPP