Schulleiter Günter Koch im Interview mit CJD-UPDATE (TEIL I)

Dominik (l.) und Malte - Junior-Onlineredakteure der WEBLOG AG - interviewen Schulleiter Günter Koch. | Bild: Andreas Bubrowski/CJD Oberurff
Dominik (l.) und Malte – Junior-Onlineredakteure der WEBLOG AG – interviewen Schulleiter Günter Koch.
Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff

In dem einen oder anderen Halbjahreszeugnis fand sich der Eintrag „versetzungsge­fährdet“. Der Eintrag dokumentiert einen entsprechend kritischen Notenstand eines Schülers, er ist aber auch ein lautes Signal an alle am Bildungsprozess Beteiligten, betroffenen Schülern zu helfen, aus dieser Situation bis zum Schuljahresende herauszukommen. Was dabei genau passieren muss oder kann und welche Fristen gelten, erklärt Schulleiter Günter Koch Onlineredakteuren der WEBLOG AG.

Da gibt es ganz klare
Versetzungsregelungen

CJD-UPDATE: Warum bekommt man als Schüler den Eintrag „versetzungsgefährdet“ ins Zeugnis?
Günter Koch: Der Eintrag ist eine freiwillige Aktion der Schule. Früher war es gesetzliche Grundlage und ein solcher Eintrag im Halbjahreszeugnis Vorschrift. Heute ist es rein als Botschaft zu verstehen, dass ein Schüler am Ende des Schuljahres sitzen bleiben könnte. Ihr Schüler und natürlich auch die Eltern sollen so früh wie möglich darüber informiert sein, dass da etwas schief läuft. So kann man sich beizeiten damit beschäftigen und sich sagen: „Ok, jetzt muss ich mehr tun, muss vielleicht sogar eine Nachhilfe organisieren“. Der Zeugniseintrag ist also als eine Art Warnsignal zu verstehen, „es kann etwas passieren und jetzt kümmert euch darum“.

Was sind die konkreten Voraussetzungen, für den Zeugniseintrag „versetzungsge­fährdet“ zum Halbjahr?
Das funktioniert so: In der Lehrerkonferenz oder in der Zeugniskonferenz vor den Halbjahres­zeug­nissen schauen sich unter Leitung des Vorsitzenden, einem Mitglied der Schulleitung, Klassenlehrer und Fachlehrer die Noten an und kommen zu der Einschätzung, wenn jetzt das Sommerzeugnis fällig wäre, würde der Schüler sehr wahrscheinlich nicht versetzt werden können. Das ist das Kriterium. Vielleicht gibt es etwa in einem Hauptfach eine Fünf und noch eine Nebenfach-Fünf. Am Schuljahresende würde das bedeuten: „nicht versetzt“. Es kann aber auch sein, dass die Situation grenzwertig ist. Zum Beispiel Mathematik eine Fünf und in Biologie sagt der Fachlehrer, dass die Vier eher zur Fünf tendiert. Vielleicht ergänzt der Musiklehrer, dass auch die von ihm erteilte Vier eher eine Vier-minus ist. Dann ist die Botschaft an die Eltern: Die EINE Fünf wäre jetzt vielleicht unkritisch, aber wenn nur eine der Vieren in eine Fünf umkippen sollte, dann könnte eine Nichtversetzung anstehen. In solchen Fällen wird dieser Vermerk ins Zeugnis eingefügt.

Nachprüfung kann aber NUR
mit einer fünf erfolgen

Was sind die konkreten Attribute, dass eine Versetzung eben nicht stattfinden kann?
Da gibt es ganz klare Versetzungsregelungen, die sind die sogenannten Versetzungsbestimmungen, die sind im hessischen Schulgesetz und den zugehörigen Verordnungen festgelegt sind. Dazu Beispiele:

  • Eine Hauptfach-5 kann ich ausgleichen, wenn ich in einem anderen Hauptfach eine Zwei habe oder wenn ich in zwei Hauptfächern jeweils eine Drei habe oder
  • wenn ich nur eine Drei in einem anderen Hauptfach habe und der Gesamtnotendurchschnitt von allen Noten mindestens 3,0 beträgt.

In so einem Fall würde diese eine Fünf ausgeglichen werden können. Mathe: 5, Deutsch: 2 ist in Ordnung oder Mathe: 5, Deutsch und Englisch jeweils Drei ist auch in Ordnung oder Mathe: 5, Deutsch: 3 und Gesamtnotendurchschnitt 3,0 geht auch gerade noch so, aber danach wird es schwierig. Man kann allerdings zwei Nebenfach-Fünfen haben. Bei drei Nebenfach-Fünfen ist man aber ebenfalls nicht versetzt. Wenn die Versetzung nicht klappt, muss dem Schüler eine Nachprüfung am Ende der Sommerferien angeboten werden. Das heißt, der Schüler hat die Sommerferien über Zeit, etwa sich mit seiner Englisch-Fünf zu beschäftigen. Die Nachprüfung ist schriftlich und mündlich. Wenn es dabei gelingt, die entsprechende Fünf in der Nachprüfung wegzubekommen, wird nachträglich die Versetzung ausgesprochen. Die Nachprüfung kann aber NUR mit einer Fünf erfolgen.

Wie reagieren die Eltern?
Man hofft als Lehrer, dass die Eltern reagieren und sich melden. Zu 90 Prozent funktioniert das. Dann rufen die Eltern an, lassen sich einen Termin geben und dann gibt es später auch noch einen Förderplan, in dem nochmals ganz genau beschrieben wird, was für ein Problem der Schüler hat. Außerdem werden Empfehlungen formuliert, wie der Schüler am Ende doch seine Versetzung schaffen kann. Aber es gibt auch Eltern, das wären die anderen 10 Prozent, denen das offenbar egal ist.

Was ist genau der „blaue Brief“?
Der „blaue Brief“ war früher Vorschrift. Heute ist vergleichbar mit dem Hinweis im Halbjahreszeugnis. Er ist lediglich die Information an die Eltern, es könnte passieren, dass ihr Kind sitzen bleibt. Der blaue Brief wird um Ostern herum geschrieben, meistens nach den Osterferien. Dann sind es noch acht bis zehn Wochen Wochen bis zum Schuljahresende. Der blaue Brief ist quasi die allerletzte Mahnung mit der Botschaft, „so, wenn jetzt nicht langsam etwas passiert, dann bleibt das Kind eventuell sitzen.“ Es kann auch sein, dass es im Halbjahr mit den Zensuren noch nicht so schlimm war, jemand hat etwa lauter Vieren und bekommt auch keinen Vermerk ins Zeugnis. Doch dann tritt die erste, zweite oder gar dritte Fünf zutage. Dann wird es kritsich. Deswegen muss zwischendurch, um die Osterzeit herum, nochmals die Information rausgehen, „es kann passieren, dass ihr Kind sitzen bleibt“.

Wenn die freiwillige Information an die Eltern – Zeugniseintrag und blauer Brief – nicht vorgenommen wurde, wann müssen die Eltern dann pflichtgemäß informiert werden?
Spätestens um die Osterzeit herum ist man als Schule gesetzlich verpflichtet, die Eltern über eine Versetzungsgefährdung in Kenntnis zu setzen und einen Förderplan zu erstellen. Wenn es keinen Förderplan gegeben hat, können Eltern sogar auf eine Versetzung bestehen. Dann muss das Kind versetzt werden, egal wie die Noten sind. Die Fünf bleibt dann bestehen, aber der Schüler wird dennoch versetzt.

Was passiert eigentlich bei einer Sechs in einem Nebenfach?
Eine Sechs im Hauptfach heißt automatisch nicht versetzt. Kein Ausgleich! Eine Sechs im Nebenfach lässt sich mit einer Eins, zwei Zweien oder drei Dreien ausgleichen. Aber selbst jemand, der nicht gut malen oder nicht gut Sport treiben kann, wird wahrscheinlich auch keine Sechs in diesen Nebenfächern bekommen. Denn es wird gerade bei diesen Fächern besonders der individuelle Fortschritt benotet (abschließender Teil II in Kürze). INTERVIEW: MALTE HORN, MITARBEIT DOMINIK WIEGAND

(Gestaltung: A. Bubrowski)