Interview mit Michael Schneider, Schulsozialarbeiter des CJD Oberurff

Michael Schneider, Schulsozialarbeiter des CJD Oberurff, im Interview. Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff
Michael Schneider, Schulsozialarbeiter des CJD Oberurff, im Interview. Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff

Pannenhelfer weiß man erst zu schätzen, wenn man eine Panne hat. Und jeder kann eine haben. Die nagelneue Werksaus­lieferung aus Ingolstadt oder die fahrbare Ein­kaufstasche aus Wolfsburg mit 200.000 ge­fah­renen Kilometern. Schulsozialarbeiter – dem Wort haftet der Geruch von „sozialem Brenn­punkt“ an. Doch auch wenn eine Schule kein Brennpunkt ist, können einzelne Konflikte sehr wohl brennpunktartig erlebt oder erlitten werden. Und das kann jeden treffen; Schüler, Lehrer, Eltern. Gut dass jetzt ein Pannenhelfer – der Schulsozialarbeiter – da ist. Dumm nur: Von Füssen bis Flensburg droht Schulen das Aus für ihre Sozialarbeiter, aus Geldgründen. Für CJD-UPDATE Grund nachzufragen, wie Schulsozialarbeit im CJD Oberurff funktioniert, wie sie sich finanziert und wer der Mensch hinter diesem Amt ist.

Schulsozialarbeit im CJD Oberurff

Michael Schneider über sich und seine Arbeit als Schulsozialarbeiter

DER MENSCH

Zunächst ein paar persönliche Fragen, an den Menschen hinter dem Sozialarbeiter. Haben Sie Familie?
Ja. Ich bin verheiratet, habe Frau und Kinder. Die große Tochter ist hier an der Schule in der Jahrgangsstufe sechs. Die Kleine kommt jetzt zum Sommer auch an die Schule.

Wo würden Sie gerne einmal hinreisen?
Mit meiner Frau gerne einmal zusammen auf die Malediven. Spontan zur WM nach Brasilien!

Was ist für Sie das größte irdische Glück?
Gesundheit!

Was wäre für Sie das größte Unglück?
Wenn meiner Frau und meinen Kindern etwas zustoßen würde.

Was ist Ihr größter Traum?
Das ist eine sehr schöne Frage! Ein ganz großer Traum von mir ist, dass ich meine Wünsche und Ziele irgendwann in meinem Leben realisieren und umsetzen kann!

Was sind das für Wünsche?
Ein großes Ziel, wenn wir das jetzt mal auf die Schule beziehen, ist es, die Schulsozialarbeit noch mehr in die Schule zu integrieren. Teilweise ist mir das noch zu oberflächlich. Unsere Arbeitsweise ist nach außen nicht so bekannt, wie ich mir das wünsche. Generell gibt es viele Eltern, die wissen nicht einmal, was Schulsozialarbeit ist. Hier wünsche ich mir, dass das Thema mehr nach außen getragen wird, vor allem in den Grundschulen, etwa wenn wir dort für die weiterführende Schule, also für das CJD Oberurff, werben. Das wäre so ein rein beruflicher Wunsch!

Was ist Ihre Lieblingsfarbe?
Rot.

Was ist Ihr Sternzeichen?
Wassermann1.

Was ist Ihr Hauptcharakterzug?
Ehrlichkeit.

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?
(grinst) Zuverlässigkeit.

Und welche bei einem Mann?
(ernst) Ich denke, dass die größte Charaktereigenschaft, die man haben kann, Zuverlässigkeit ist! Darauf sollten wir alle vielleicht einen großen Wert legen.

DER SCHULSOZIALARBEITER

Wie viele Schulsozialarbeiter gibt es an unserer Schule?
Also an unserer Schule gibt es definitiv nur einen Schulsozialarbeiter!

Also Sie. Wie wird Ihre Stelle finanziert?
Ich bin für 30 Stunden an der Schule angestellt. Die Finanzierung dazu kommt letztendlich von den Schulgeldern der Eltern und nicht vom Land. Die restlichen zehn Stunden bin ich in der Tagesgruppe angestellt, die durch das Jugendamt gefördert wird.

Sind Sie mit Ihrer Bezahlung zufrieden?
Ehrlich? Nein!

Sie arbeiten ja auch als Fahrlehrer. Ist die Finanzierungslage Ihres Berufes so schlecht, dass Sie noch zusätzlich als Fahrlehrer tätig sein müssen?
Ja, das kann man so interpretieren. Ich muss ein zweites berufliches Standbein haben, um den Kostenapparat meiner Familie decken zu können. Nur mit dem Gehalt als Schulsozialarbeiter wäre das nicht machbar.

Warum haben Sie dann den Job gewählt?
Da muss ich ganz, ganz früh anfangen. Meine Schullaufbahn hat im Gymnasium begonnen, ging dann runter auf die Realschule, schließlich hatte ich irgendwann keine Lust mehr auf Schule und habe nach der neunten Klasse hingeschmissen. Wenn man mit den Jahren schlauer und reifer wird, überlegt man sich, was einem dadurch für Chancen entgangen sind. Diese Chancen habe ich nachträglich wieder erarbeiten müssen. Also habe ich erst meinen Realschulabschluss, dann das Abitur nachgemacht und schließlich studiert. Alles mit dem Hintergedanken, später beruflich die Jugendlichen zu erreichen, die vielleicht dabei sind, den gleichen Fehler wie ich damals zu begehen. Denn das Glück steht nicht da draußen mit offenen Armen und wartet, bis du deinen Hintern hoch bekommst! Nach meiner Zeit bei der Bundeswehr wollte ich daher unbedingt in die Schulsozialarbeit gehen, um den Schülern aufzuzeigen, dass es andere Möglichkeiten gibt als die, die ich gewählt hatte.

Was haben Sie studiert?
Ich habe an der Uni in Kassel Sozialpädagogik studiert und mit Diplom abgeschlossen.

WAS SCHULSOZIALARBEIT IST

Was genau macht ein Schulsozialarbeiter?
Die Arbeit mit jungen Menschen gliedert sich in primäre Prävention; dazu gehören soziales Kompetenztraining und Klassenfindungsprozesse; sekundäre Prävention, das ist die Bewältigung von Konfliktsituationen in Schulklassen; schließlich Gewaltprävention oder auch tertiäre Prevention, zum Beispiel die Arbeit mit jugendlichen Straftätern. Letzteres natürlich nicht im CJD Oberurff. Schwerpunkte an unserer Schule sind: Konfliktlösungen und Schullaufbahn-Begleitung, jeweils jahrgangsbezogen und bei Bedarf auch klassenbezogen.

Müssen Sie oft Streitereien schlichten?
Ja, kleinere Streitereien kommen öfters vor. Vor ein paar Jahren noch mehr als in letzter Zeit. Neu sind dabei Fälle von Internetmobbing. Hier arbeiten wir mit der Polizeidirektion Schwalm-Eder zusammen, etwa wenn es darum geht, Einsicht in Handys zu bekommen. Das darf nur mit polizeilicher Genehmigung erfolgen.

Verfolgen Sie eine spezielle Taktik bei der Streitschlichtung?
Meine Taktik ist mein inneres Gefühl, die Erfahrung und mein Bauchgefühl.

Sind Sie mit Ihrer Arbeit zufrieden?
Ich bin mit meiner Tätigkeit sehr zufrieden. Ich würde aber gern mehr mit fünften und sechsten Klassen arbeiten, gemeinsam mit den Klassenlehrern.

Sozialpädagogische Schullaufbahnbegleitung, Konzept: Michael Schneider
Sozialpädagogische Schullaufbahnbegleitung, Konzept: Michael Schneider

Wie könnte ihrer Meinung nach so eine Zusammenarbeit aussehen?
Schule ist für Schüler ein realer täglicher Erfahrungs­raum, der im günstigsten Fall lebenspraktische Kompetenzen entwickeln hilft – oder auch nicht. Dies gilt vor allem für gruppendynamische Prozesse, aber auch für den gewaltfreien Umgang mit Konflikten und das angemessene Verhalten in unterschiedlichsten Situationen. Schulisches Erfahrungslernen kann in dieser Hinsicht die Persönlichkeit von Schülern stärken und damit zu einer positiven Entwicklung beitragen, welche über die bloße Vermittlung rein fachbezogener Lernziele nicht optimal erreicht werden kann. Die Schnittstelle zwischen den oben aufgeführten Punkten bildet die Tätigkeit der Schulsozialarbeit. Hier wünsche ich mir eine engere Absprache und Kooperation mit den Klassen- und Fachlehrern. Je nach Jahrgangsstufe sollte die Zusammenarbeit unterschiedlicher Art und Intensität sein und könnte jahrgangsübergreifend von unten aufbauend in die Realität umgesetzt werden, etwa so (zeigt ein Schaubild).

Was halten Sie von dem gegenwärtigen „Inklusionshype“?
Ein komplexes Thema. Darf ein Schüler etwa mit Down-Syndrom oder Trigomie 21 vor allem deswegen auf das Gymnasium, weil seine bisherigen Freunde dort sind? So ein Fall ging gerade durch die Presse und beschäftigte sogar ein Gericht. Hätten dann Schüler von Haupt- und Realschulen ohne Befund nicht das gleiche Recht auf Zugang ins Gymnasium, wenn dort gute Freunde von ihnen sind? Inklusion, nach dem Motto KEINER DARF VERLOREN GEHEN, gehört seit seiner Gründung zu den Grundsätzen des CJD. Es geht dabei vor allem darum, als schwierig geltende Jugendliche in den Schulalltag zu integrieren. Diesen Ansatz finde ich gut und wichtig.

Wie schätzen Sie das Gewaltpotential an unserer Schule ein?
Sicherlich gibt es im Schulalltag Komplikationen. Aber Gewalt, wie ich es etwa an Schulen in Kassel erlebt habe, das gibt es bei uns ganz sicher nicht.

Interview: Jonas Neumann (9b/WEBLOG AG);
technische Assistenz: Alexander Grau (6h/WEBLOG AG);
Teaser/Gestaltung: Andreas Bubrowski

Linksunten: Keiner mehr da, der zuhört

  1. 21. Januar bis 19. Februar